bookmark_borderGedanken zur Kritik an den Katastrophenschutz (Hochwasser 2021)

Vorab

Die folgenden Zeilen geben ausschließlich meine persönlichen Gedanken, meine Meinung und Sichtweise wieder. Damit möchte ich niemanden zu nah treten und spreche auch niemanden dessen Meinung ab. Bei sachlichen Problemen, würde ich mich auch von dem jeweiligen Kritikpunkt überzeugen lassen, sofern es zutrifft. Doch generelles schimpfen auf die Menschen, die sich ehrenamtlich, unentgeltlich und trotz der Gefahren im Katastrophenschutz (Freiwillige Feuerwehr [FFW], Technisches Hilfswerk [THW], Sanitätsverbände [DRK, ASB, Johanniter, ARV, …], Wasser- und Seenotrettung [DLRG, DGzRS,], Bergwacht, u.ä.) einbringen, finde ich alles andere als angebracht.


Gedanken zur Kritik an den Katastrophenschutz

Und das er nicht richtig funktionieren würde, zu langsam wäre, etc..

Finde das kann man so pauschal und einfach nicht sagen, zumal der Katastrophenschutz in Deutschland auf ehrenamtliche basiert.

Auch müssen Einsatzkräfte mehrere Punkte beachten, im Gegensatz zu Landwirten, Firmen, vor Ort:

  • Verfügbarkeit der Ehrenamtlichen,
  • Ausrüsten und Bereitstellung,
  • Anfahrtsweg bzw. dessen Dauer,
  • Sicherheit der Einsatzkräfte,
  • Priorisierung der Einsätze
    • Menschenrettung,
    • Tierrettung,
    • abwendung von gesundheits gefährdenen Situationen,
    • kritische Infrastruktur
      • Krankenhäuser,
      • Notaufnahmen,
      • Feuer- und Rettungswachen,
      • Polizeiwachen,
      • Alten- und Pflegeheime,
      • wichtige Straßen,
    • Versorgung der Bevölkerung
      • Trinkwasser,
      • Lebensmittel,
      • Strom, Erdgas, Fernwärme, etc.,
    • und erst dann kommen private Einsätze dran,

Verfügbarkeit der Ehrenamtlichen

Deutschland hat eine sehr große und gute Infrastruktur des Katastrophenschutzes, zu dem die diversen Hilfsorganisationen (Feuerwehr, THW, Sanitätsverbände, DLRG, DGzRS, Bergwacht, usw.) gehören. Allerdings beruht er auf Menschen, die bereit sind, sich ehrenamtlich in einer der Organisationen einzubringen. Besonders bei solchen Katastrophen, wo die Kräfte mehrere Tage im Einsatz sind, ist es auch schwierig geworden, genügend Einsatzkräfte zu finden. Sie verlassen für die Zeit nicht nur die Familie (Partnerin / Partner, ggf. Kinder, …) und Angehörige, sondern auch den jeweiligen Arbeitsplatz. Offiziell dürfen sie deshalb nicht gekündigt werden, aber es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber dann einen anderen Grund für eine Kündigung suchen. Das hat leider zur Folge, dass die Ehrenamtlichen immer wieder Angst haben, ihren Job zu verlieren, wenn sie zu lange oder zu oft im Einsatz sind.

Ausrüsten und Bereitstellung

Neben den ehrenamtlichen Kräften muss auch die Ausrüstung und die Fahrzeuge bereitgestellt werden. Grundsätzlich ist das meiste auf Ebene der Bundesländer geregelt, zumindest was Gesetze, Verordnungen usw. angeht. Die eigentliche Umsetzung ist dann aber Aufgabe der jeweiligen Gemeinde (Stadt bzw. Landkreis). Die meisten Fahrzeuge sind für die alltäglichen Einsätze ausgerüstet und müssen für seltenere Einsätze erst umgepackt werden. Braucht man nur einen großen Container oder Anhänger wechseln, geht es noch zügig. Leider sind solche Komponenten aber sehr teuer, weshalb LKWs und Co oft auch per Hand umgepackt werden müssen.

Das verzögert die Einsatz Bereitschaft leider, bis die jeweiligen Einheiten überhaupt ausrücken können. In Braunschweig geht das noch recht flott, da sich alles in der Stadt befindet. Bei vielen anderen geht es nicht so schnell, da sich die einzelnen Fahrzeuge aus dem Landkreis auch erstmal treffen müssen. In meiner Region fand das zum Beispiel auf dem Parkplatz einer großen Raststätte statt.

Noch langsamer ist es, wenn das Material nicht bei der jeweiligen Ortswehr gelagert wird und sie erst zu einer zentralen Stelle müssen.

Da Hochwasser, Überschwemmungen, Fluten in meiner Region bisher nicht im Sommer wahrscheinlich waren, sind in dieser Jahreszeit die Materialien für Wald-, Wiesen- Flächenbrände verladen. Denn 1974 (?) gab es den großen Heidebrand, der ebenfalls eine Katastrophe war, durch die Einsatzpläne usw. verbessert wurden. Leider lernt man nur durch den Ernstfall bzw. können die Fehler aufgezeigt werden. Das bringt nur in der jeweiligen Situation nichts, denn bis dahin sind es nur Theorie und Übungen. Leider finden Großübungen in vielen Gemeinden auch immer seltener statt, zum einen aus Kostengründen und zum anderen, da man die wenigen Aktiven nicht zu sehr belasten möchte.

Anfahrtsweg bzw. dessen Dauer

Da es bisher auf 4 Gebiete (NRW, RLP, Oberbayern, Ostdeutschland) begrenzt ist, fordern die örtlichen Krisenstäbe die “überörtliche Hilfe” an, also aus den benachbarten Landkreisen, Bundesländern oder auch ganz Deutschland. Bei solch Katastrophen wie aktuell, kommt auch die Bundeswehr dazu. Das ist aber auch ganz normal und wird auch bei alltäglichen Einsätzen so gemacht. In ländlichen Regionen, wo viele nicht in der Nähe arbeiten können, werden tagsüber an Werktagen gleich 2, 3 Freiwillige Feuerwehren alamiert, da sie oftmals nicht voll besetzt sind. (Bis zur Altersgrenze ist auch eine Angehörige von mir noch ausgerückt, da viele jüngere noch nicht den Führerschein machen konnten, mit dem alten darf man das Fahrzeug aber noch fahren. Die Stadt hat leider zu wenig Geld, um den Führerschein allen in einem Jahr zu ermöglichen, weshalb es priorisiert wird. Dabei wird berücksichtigt, wie gut die Wehr noch ausrücken kann und auch die Häufigkeit von Einsätzen.)

Erst wenn das nicht ausreicht, würde ein internationales Hilfegesuch über den Bund rausgehen. In Grenzgebieten zu einem Nachbarland gibt es darüber hinaus aber schon gemeinsame Einsatzpläne, durch die bei normalen Einsätzen generell gegenseitig geholfen wird. Neben der sprachlichen Barriere muss dafür aber auch die Ausrüstung stimmen. Zum Beispiel sind die Anschlüsse der Schläuche unterschiedlich, weshalb Adapter / Zwischenstücke mitgeführt werden. Auch die technische Kommunikation muss gewährleistet werden, zumindest zwischen den Einsatzleitungen.

Niederlande und Belgien sind selbst betroffen. Bei unseren anderen Nachbarländer müsste man dann auch beachten, wie lange die Fahrzeiten sind. Vom Osten (z.B. Polen) aus mit 80km/h kämen die Kräfte auch erst sehr spät an. Hinzukommt, dass gerade in den “Ost Ländern” dann deren “Grundschutz” nicht mehr richtig besteht. Da sie keine extra Katastrophenschutz Einheiten haben oder auch an Feuerwehren so wenige, dass dann Ortschaften bei ihnen ungeschützt wären. Das macht deren Anforderung auch schwieriger.

Sicherheit der Einsatzkräfte

Auch kann man nicht einfach so Helfer in die Gebiete schicken, egal ob Angehörige der Hilfsorganisationen oder komplette Privatleute. Viele Häuser sind nicht mehr standsicher, da der Boden zu aufgeweicht ist, Teile der Gebäude zu stark beschädigt sind oder fehlen. Sobald klar ist, dass dort alle lebenden Menschen in Sicherheit sind, kann man das Leben der Einsatzkräfte nicht stark gefährden. Daher müssen Spezialisten schauen, welche Häuser überhaupt betreten werden können.

Da teilweise auch Überspannwerke usw. kaputt gingen, muss gemessen werden, ob das Wasser im Keller, im Haus wirklich Stromlos ist. (Daher sollte man auch im eigenen Keller vorsichtig sein, wenn da Wasser rein kommt.) Solarzellen machen das nochmal schwieriger (auch bei Bränden), wie auch andere Alternativen Techniken, mit denen Dörfer autaker wurden (z.B. Wasserkraft, Windkraft die in das Dorf führt). Sind diese beiden großen Gefahren abgeklärt, gibt es manchmal durch Heizoil und ähnliche Stoffe Probleme, da dadurch die Luft in Kellern, Tiefgaragen und ähnlichen Räumen zu schlecht sein kann, dann muss zu erst belüftet werden, bevor Helfer etwas tun können.

Auch reist man in Deutschland nur die Häuser umgehend ein, von denen man weiß, dass sie stark einsturzgefährdent sind. Man versucht hier auch Sachwerte zu schützen, dass wird international aber auch unterschiedlich gehandhabt.

Die Wege zu den Gebieten stellen auch ein Problem dar. Man versucht zur Menschenrettung natürlich auf allen Wegen Einsatzkräfte in die Ortschaften zu bekommen, notfalls auch per Hubschrauber oder so. Ist aber klar, dass keine lebenden Menschen mehr in Gefahr sind, muss man auch die Sicherheit der Einsatzkräfte berücksichtigen. Daher muss mindestens ein Weg geräumt sein, um Materialien zum helfen hinbringen zu können, aber auch um Kräfte im Fall der Fälle in’s Krankenhaus bringen zu können oder sogar komplett evakuieren zu können, da Flüsse auch wieder ansteigen könnten. Das wird bei anderen Einsätzen auch so gemacht, zum Beispiel geht niemand mehr in ein brennendes Haus, wenn der Einsturz kurz bevorsteht.

Priorisierung der Einsätze

Ganz gleich ob normale alltägliche Einsätze oder eine solche Katastrophe, die Einsätze werden nach einer Priorisierung abgearbeitet. So gilt zum Beispiel, dass die Menschen- und Tierrettung ganz wichtig ist und man dafür auch Sachwerte opfern würde. Bei solch großen Katastrophen steht die Rettung natürlich auch ganz oben. Doch danach wird sich um kritische Infrastruktur wie zum Beispiel Krankenhäuser, wichtige Straßen, etc. gekümmert, bevor ein privater Keller ausgepumpt wird.

Das man zum Beispiel im Bereitstellungsraum auf dem Nürburgring viele Einsatzkräfte sieht, liegt auch daran, dass man die Kräfte regelmäßig abwechseln möchte. Denn bei solchen Katastrophen ist der Einsatz ja nicht nach 1, 2 Tagen beendet.

Noch so ‘ne Sache

Es gibt aktuell auch Landwirte und Firmen die mit ihren Fahrzeugen helfen. Grundsätzlich ist so etwas ja auch richtig gut und lobenswert. Leider melden sich viele aber nicht bei der Einsatzleitung an und legen auf eigene Faust los. Theoretisch ist es gut, wenn sie Straßen planieren oder mit großen Geräten wie Baggern den “Sperrmüll” aufladen oder ihn an größeren Plätzen sammeln.

Für die Einsatzkräfte ist das leider schwierig, da der Krisenstab / Gesamteinsatzleitung dann Kräfte zu Orten schickt, von denen sie dachten, dass dort noch niemand war oder sie noch abgeschnitten sind. Treffen sie dann auf unangemeldete Helfer (vor allem die mit großen Geräten), muss vor Ort erstmal geklärt werden, was gemacht wurde und was nicht. Dadurch geht viel Zeit verloren und macht häufig zusätzliche Arbeit, wenn Sachen doppelt kontrolliert werden müssen. In der Zeit hätte man die Kräfte besser einsetzen können.

Das oftmals Straßen, Wege verstopft sind, ist zudem für alle ein großes Risiko. Zum Beispiel waren Talsperren / Deiche für längere Zeit kritisch eingestuft, bei dessen versagen die Ortschaften hätten evakuiert werden müssen. Wenn die Straßen dann von größeren Fahrzeugen voll sind, verlangsamt und gefährdet das die Evakuierung, auch für die Helfer selbst. Auch weiß so niemand, wie viele Menschen dort sind. Wie viele Menschen ungefähr in einem Ort, einer Straße, einem Haus, etc. leben, weiß man durch den Wohnsitz und müsste nach ihnen suchen. Bei unangemeldeten Helfern ist auch unklar, wie viele im Falle einer weiteren Katastrophe vermisst wären.

Kritik?

Damit möchte ich auf keinen Fall deren Bereitschaft zu helfen kritisieren oder so, denn ich gehe davon aus, dass es viele nicht besser wissen und daher einfach machen.

Bei Facebook ist aber ein Lohnunternehmer sehr aktiv, der auch ständig Videos veröffentlicht und in ihnen sehr viel meckert. (Das instabile Mobilfunknetz damit zu belasten, ist für sich schon nicht gut.) Ja, dass mag er in der Situation auch so empfinden, doch er kennt die Abläufe offensichtlich nicht. Das kein Diesel vor Ort gestellt wurde, war ein Kritikpunkt, wie auch das durch seine Hilfe seine Firma existenz gefährdet sei, in dessen Zusammenhang sagte er noch, dass nun Aufträge folgen sollten. (Kosten würden dann gezahlt werden, wenn er offiziell eingesetzt werden würde.) Möchte dem jenigen ja nichts unterstellen, aber vielleicht sah er es als “Arbeitsbeschaffungs Maßnahme”?!? Auch der Punkt mit dem Diesel ist so nicht haltbar. Würde man sich bei der Einsatzleitung melden und dann einen Auftrag übernehmen, könnte man so etwas berücksichtigen. Zum Beispiel gibt es Einsatzfahrzeuge, die einen mobilen Tank aufnehmen können, um dann am Einsatzort Fahrzeuge zu betanken. Fährt man aber privat zum helfen hin, kann man das so nicht erwarten, da es nun mal auch Strukturen in solchen Katastrophen gibt.

Muss man meckern?!?

Das es auf Betroffene so wirken kann, dass der Katastrophenschutz zu wenig oder nichts tun würde, kann ich nachvollziehen. Den Betroffenen kann man in so einer akuten Situation auch keinen Vorwurf machen, wenn sie sich darüber “aufregen”, da es nicht nur körperlich belastend ist, sondern auch mental, durch die Erschöpfung, den Verlust und die traumatisierung.

Doch generell sollte man mit der Kritik, dem meckern und schimpfen vorsichtig sein.

Den meisten fehlt auch das Wissen, wie der Katastrophenschutz in Deutschland organisiert ist und arbeitet. Wer daran interessiert ist, kann u.a. bei’m BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) www.BBK.Bund.de schauen. Dort gibt es auch kostenlose Broschüren, wie man sich zu Hause etwas vorbereiten könnte.

Auch bringen sich die meisten, die meckern und schimpfen, selbst garnicht ein. Dabei suchen alle Organisationen nach aktiven Mitgliedern, denn auf den Ehrenamtlichen basiert der Katastrophenschutz in Deutschland nunmal, aber auch der alltägliche Schutz der Feuerwehren und spätestens bei mehreren Patienten auch der Rettungsdienst. Eine Berufsfeuerwehr haben nur größere Städte, aber auch sie sind bei allen Einsätzen die größer sind oder nur lange dauern, auf die Freiwilligen Feuerwehren angewiesen. In ein paar Gemeinden musste sogar schon eine Pflicht Feuerwehr eingeführt werden, da es keine freiwilligen mehr gab. (Das kann man sich so ähnlich vorstellen, wie die Wehrpflicht.)

Auch kommt so eine “Kritik” häufig von Leuten mit einer rechten oder nationalen Einstellung, wie auch von Parteien wie der AfD und ähnlichem Gesocks. Vielleicht wollen sie gerade jetzt, wo die Wahlen bevorstehen, die Gesellschaft gegeneinander aufbringen.

Gegen sachliche Kritik oder besser Beobachtungen wo es noch Fehler in den Plänen gibt, spricht ja auch nichts. Doch das kann man nach der akuten Katastrophe einbringen, damit Verbesserungen auch eingeführt werden. Jede Stadt, Landkreis haben auch entsprechende Ämter. Während der akuten Situation macht das keinen Sinn und schürt nur den Unfrieden in der Gesellschaft.

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